Musikempfehlung: Demigodz – Captain Caveman

Demigodz ist eine Hip Hop Kollektiv aus Connecticut welches bereits in den 90er Jahren des 20. Jahrunderts von den Rappern Open Mic und Reflex gegründet wurde. Die Zusammensetzung wechselte mehrmals und seit 2012 sind die bestimmenden Kräfte die Rapper Apathy, Celph Titled, Ryu, Esoteric, Motive und Blacastan.

Jeder Track hat seine ganz eigene Besetzung und oft werden weitere bekannte oder unbekannte Größen der Rap Szene gefeatured, wie z.B. in dem heute empfohlenen Song  R.A. The Rugged Man.

Kommen wir zum heute vorgestellten Song aus dem 2013 herausgekommenem Album Killmatic:



Der Song ist eine Referenz auf die Hauptfigur der Zeichentrickserie ‚Captain Caveman and the Teen Angels‘ welche in den Jahren 1977 bis 1980 jeden Samstagmorgen auf ABC ausgestrahlt wurde.

Dar Aufbau des Songs ist einfach gestaltet. Es gibt drei Strophen, nacheinander gerappt und getrennt durch die jeweils zweifach eingespielte Hook welche von Apathy gerappt wird:

[Hook / x2]
Cause I’m a motherfucking
(Caveman)
A motherfucking
(Neanderthal)
Dragging bitches by the hair, dead bodies everywhere, I’m a motherfucking
(Cavvvvvvemannnnnnn!)

Ich werde den Text nicht Wort für Wort übersetzen, denn wer englischsprachigen Hip Hop hört kann das sicher selbst, einige Besonderheiten, Referenzen oder ‚tricky Expressions‘ werde ich aber zum besseren Verständnis erläutern.

Zum Einstieg führt uns Apathy an das Thema heran, indem er sich selbst sozusagen als rauen Höhlenmenschen darstellt:

[Strophe 1: Apathy]
I’m the cryogenically frozen, released in an explosion
The labs on fire, meltin‘ the ice exposin‘
A 6’2″ club swingin‘, knuckle draggin‘
Cro Magnon, Wal-Mart, white trash, pistol packin‘

White Trash wird hier angesprochen, also die Red Neck Kultur und die entsprechenden Klischees werden jetzt von Aptathy im Stakkato abgearbeitet:

Beer chuggin‘, titty lovin‘, date rape druggin‘
Thuggin‘ in the Dunkin‘ Donut parking lot, engine runnin‘
In my pickup truck, pick up sluts
I ain’t even picky get the pussy from this hussy
I’m a honkey leavin‘ hickys on her
(Caveman)
A whole different demographic
Anti democratic, conservative, hate faggots
Belly like a cannonball, modern day Neanderthal
Might’ve killed a mammoth in my youth but I can’t recall

Die nächsten Zeilen sind eine Homage an Ol‘ Dirty Bastard’s Song ‚Shimmy Shimmy ya‘ der die Zeile ‚Bayby I like it raw‘ enthält, was wiederum eine Homage an Big Daddy Kanes Song ‚Raw‘ war. Diese beiden sind Old School Hip Hop Legenden der ersten Stunde. Die gestapelte Referenz in Verbindung mit der Zweideutigkeit in Bezug auf den Verzehr von rohem Fleisch in der Steinzeit  macht den Part besonders erwähnenswert, obwohl es nur zwei Zeilen sind.

(Captain) Caveman in need of a brain scan, baby I like it raw
An Ol’Dirty Kane fan

Nun kommt abschließend noch Gesellschaftskritik, da die Entwicklung vom Höhlenmaler zum bettelarmen Mitglied der Wohlstandsgesellschaft hervorgehoben wird, der Unterhosen aus einem Billigsupermarkt stehlen muss, weil er sich nicht mal die leisten kann. Aussage: Weit haben wir es noch nicht gebracht.

Evolved from a troglodyte, paintin‘ cave art
Stealin‘ panties out of K-Mart

Wie Sie sehen, wird einiges an Geduld von Ihnen erwartet, da das Werk komplex ist und eine ausführlichen Analyse zum Verständnis bedarf. Arbeiten Sie sich mit mir weiter durch, sie werden es nicht bereuen!

[Hook / x2]
Cause I’m a motherfucking
(Caveman)
A motherfucking
(Neanderthal)
Dragging bitches by the hair, dead bodies everywhere, I’m a motherfucking
(Cavvvvvvemannnnnnn!)

Die zweite Strophe wird von R.A. Rugged Man gerappt, einem weitgehend unterschätzten Künstler, den man sich ruhig auf das Radar setzen sollte um bei Spotify mal zu stöbern.

[Strophe 2: R.A. The Rugged Man]
Uncivilized, sub species, the cracker, the white

R.A. ist ein weißer Rapper und wird deshalb von Schwarzen oft abfällig als ‚cracker‘ bezeichnet

Im weiteren Verlauf bezichtigt er sich selbst aller möglichen Boshaftigkeiten, z.B. der ‚Rassenschändung‘, Vergewaltigung und Auslösung von AIDS

Troglodyte type, I’m a carnivorous Amorite
Been to the Gates Of Heaven but was already rejected
I’m the blue eyed, pitch fork swingin‘, leprosy infectin‘
Nubian sisters, please stay away, better watch out
I’m the Caucasoid germ your daddy warned you about
Cave boy, cowboy, pistol in both holsters
I don’t just rape women, I rape whole countries, I rape cultures
It’s hard for me to be alive and stay righteous
I’m the guy that fucked the monkey and started the AIDS virus

Jetzt ein Wechsel zur perfiden Mechanik, mit der die Weißen über Jahrhunderte Schwarze unterdrückt haben, sei es die klischeebehaftete Uncle Remus Verfilmung von Walt Disney (1946) die Schwarze als minderbemittelt darstellt, das Weiße Jesusbild (was unmöglich sein kann), die Nichtwürdigung des alten Ägypten als Hochkultur dunkelhäutiger Menschen, die Übernahme der schwarzen Musikkultur durch weiße Künstler…ach lesen und übersetzen Sie gerne selbst weiter: 

I’m the Walt Disney creator of Uncle Remus
I’m the blue eyed painting of the white Jesus
I’ve been a demon since I was a fetus
Carvin‘ the nose off Egyptian sculptures
Hidin‘ the black features
I swing low like Jim Crow, I’m the dope dealer
I’m the Rock & Roll/Jazz/Rhythm Blues/Soul stealer
I’m the law makin‘, law breakin‘
The nation’s celebrating Satan every four years at the inauguration
And the White House is the plantation
The white boy, the negative naysayin‘
The wrestling, lacrosse playin‘

Lacrosse ist vor allem in Kanada beliebt und gilt gemeinhin als Spiel für Weiße

Bad breath stinkin‘, teeth decayin‘, bathing in bacon
I’m the bar brawlin‘, brass knuckle, bottle breakin‘
The caveman!
(Cavvvvvvemannnnnnn!

Langsam wird die Hook jedem klar.

[Hook / x2]
Cause I’m a motherfucking
(Caveman)
A motherfucking
(Neanderthal)
Dragging bitches by the hair, dead bodies everywhere, I’m a motherfucking
(Cavvvvvvemannnnnnn!)

Mit Celph Titled kommt jetzt ein besonderer Charakter ins Spiel. Er ist halb Kubaner, halb Deutscher, hat eine eher helle Haut und ist stark behaart, also die lebende Vorlage für das im Song gepflegte Höhlenmensch Klischee.

Ab hier lässt der Track jedweden Ansatz zu politischer Korrektheit fahren. Vergewaltigung, Homophobie, Brutalität, Sadismus, Mordfantasien…was auch immer an Provokation möglich ist, Celph Titled packt es aus und schreibt sich das Verhalten selbst zu. Das Ganze steht natürlich symbolisch für die verabscheuungswürdige menschliche Art Schlimmes zu tun und läuft darauf hinaus, dass der Mensch nicht mehr ist, als ein Tier mit Selbstbewusstsein und mangelhafter Triebkontrolle. Im Ergebnis also sogar schlimmer als ein Tier, denn Tiere sind nicht zum Vergnügen grausam, Menschen eben teilweise schon.

[Strophe 3: Celph Titled]
The pale Cuban, hairy chest, bearded bastard
Drinkin‘ beer faster, tractor truck steer rappers to pack it up
So here after the Caveman stomps shake the ground
This ape was found rippin‘ Rachael Rae out of that apron gown

Rachel Ray ist ein dunkelhäutiges Schönheitsideal mit einer eigenen TV Sendung

No respect I give, the best that deal with skeet dispersal, be concerned
My heart’s so cold my ribs got freezer burn
Walked into a slaughterhouse and got hungry for a Big Mac
Found me a slab of meat and had a feast of rib racks
Baseball bat at your mug
Yeah I should be doin‘ arenas, but I’m more popular with clubs

Hier beschwert sich Celph Titled ein wenig über mangelnden Ruhm

Fred Flintstone’s a faggot
The Geico guys are faggots
Collect their flesh, Celph Titled is so savage

Extreme Homophobie, wie bereits angekündigt. Die Geico Refernez ist nicht selbsterklärend. GEICO ist ein großer amerikanischer Autoversicherungskonzern, der für seine provokante Werbung bekannt ist. Beginnend in 2006 starteten sie eine Serie von lustigen Werbespotts mit Höhlenmenschen. Der Slogan war ‚It’s so easy, a caveman can do it‘. Interessierte finden die Spots in einem Clip zusammengefasst hier:

https://youtu.be/zdZaywluk34

Ab hier lässt es Celph Titled richtig krachen

Brutal, primate, irate, I erase whatever I face
Alligator pit usin‘ humans as live bait
Committin‘ murders at high rates
I’m quick to slice a fuck, the cops try a stunt they’ll need their motherfuckin‘ riot pump
Undeveloped forehead
Harder than a Foreman Grill
Football punted your head and it’s in orbit still
The more I kill the more my primitive mind
Wants to go behind enemy lines and place proximity mines

Der Künstler hat seine brutalen Gewaltfantasien freien Lauf gelassen und kommt jetzt zum Punkt, der Kernaussage das ganzen Songs, nämlich, dass sich der Mensch eigentlich nicht wirklich weiterentwickelt hat.

It’s been century’s time, I don’t evolve
I stay raw
Hunt for prey and never take the day off
I made a god damn grizzly bear a fur coat
Pig skin, arrow pouch, foul talk, no sterile mouth
I’m a…
(Cavvvvvvemannnnnnn!)

Puh, geschafft. Wir sind am Ende angekommen und haben einiges an Resilienz aufbringen müssen um nicht angewidert abzubrechen, aber genau das ist mit dem Titel ja auch beabsichtigt.

Captain Caveman provoziert, schenkt uns richtig ein und hält der Menschheit den Spiegel vor’s Gesicht. Ungeschminkt und mit voller Härte, dabei aber sprachlich ausgefeilt, inhaltlich tiefgründig und mit Massen von Referenzen gespickt, die es erstmal alle zu finden gilt.

Das Ganze, aufgrund der rauen Sprache,  als rein provokatives Werk minderbemittelter Brutalos abzutun wäre ein großer Fehler. Hier steckt richtig Arbeit und Intellekt drin, wenn man denn Willens und fähig ist das zu erkennen.

Abschließend zum Musikalischen. Ich finde, das ist ein Meisterwerk, welches es erfolgreich geschafft hat die musikalischen Tugenden des Old School Rap in die Neuzeit zu transferieren. Minimalistische Beats, eingängige Melodien, perfekt gesetzte Effekte (man beachte wo z.B. im Takt Neandertal-typische Ughs! gesetzte werden). Alles ausschließlich dazu da, die hervorragenden Vorträge der MCs zu unterstützen. MC steht für Master of Ceremony, deshalb sollte die Musik beim Rap/Hip-Hop niemals bestimmendes Element sein um nicht vom Vortrag abzulenken.

Diese Musik ist zum Zuhören, Nachdenken und Mitrappen gemacht und nicht zum Tanzen.  Auf einer Party werden Sie damit nicht punkten, aber für einen selbst zum Hören ist das einfach allererste Sahne…wenn man denn Rap und Hip Hop liebt.

In diesem Sinne

SALUDOS! Bis zum nächsten Song…

Der Alex Grießner empfiehlt hier unregelmäßig Songs die Ihn durch das Leben begleiten, also schauen Sie ruhig mal wieder rein.

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